Simply Fosh

Art @SimplyFosh

Art @SimplyFosh

Simply Fosh – Simply Perfect

Damit könnte die Geschichte eigentlich schon wieder enden.

Aber ich kenne ja inzwischen die Dauernörgler, die zum perfekten Sonnenuntergang noch die technischen Details der Kamera & Brennweite wünschen, oder beim bretonischen Hummer in Orangenöl zwingend die Farbe des Fangkäfigs hinterfragen müssen.

Marc Fosh bietet hier auf Mallorca mit seinem Restaurant, gelegen im ‘Refectori’ des Hotels Convent de la Missio, in einem eher lässig-minimalistisch gehaltenen Ambiente eine außergewöhnliche mediterrane Küche. Rechts neben der Kunstausstellung ein offener Empfangsbereich, von wo man sich seinen Platz im Innenhof oder einem der beiden Räume aussuchen kann (Reservierung ist angeraten):

Die Gerichte auf höchstem kulinarischen Niveau, die Zutaten durch die Bank frisch und von bester mallorquinischer Qualität, wird dem Gast mit viel Erfahrung, Kreativität und einer Prise Inspiration immer wieder aufs Neue die hohe Kunst des Kochens vermittelt. Unterstützt wird der ehemalige Sternekoch des Hotel Reads von seinem nicht weniger talentierten Chefkoch Nils Egtermeyer (ehemals Tantris und Vendôme).

Kuriositäten und Attitüden, üblich in vielen Sternerestaurants, finden sich hier nicht. Gourmetküche, neu interpretiert, so steht Marc Fosh zur Zeit für den Inbegriff der mallorquinischen Spitzengastronomie.

Gaumenkitzler und Pupillenschmeichler, die Kreationen leicht und sinnlich arrangiert, Aromen und Texturen gekonnt kombiniert, puristisch und wohlschmeckend, ein Fest fürs Auge und die Zunge; weit, ja unendlich weit entfernt von der heute fast schon üblich genmanipulierten und glutamatbehafteten Durchschnittsküche:

“Gelbes Gazpacho mit mariniertem Wildlachs…, Zitronenparmesanpolenta…, Lasagne von der Gewürzananas…, Perlhuhnraviolis…, das mallorquinische Milchlamm mit Anis… oder ‘Dukkha’ & Sorbet von Rosenwasser…”: das Wörterbuch des Kochens scheint hier wöchentlich neu definiert zu werden.

Ich komme aber nicht nur wegen der Küche. Ich komme auch für den Service. Großes Kino, hier wird Service in Perfektion geboten. Immer mit einem Lächeln, die Augen überall, alle ergänzen sich, alle präsent gleichwohl ohne aufdringlich zu sein: Mich wundert manchmal dass der Guide Michelin nicht schon längst eine neue Sternekategorie eingeführt hat. Simply Fosh wäre einer meiner Vorschläge.

Und ich komme für die Ruhe. Es ist, um es in ein einfaches Wort zu fassen, schlicht angenehm. Ob Innenhof oder die leicht klimatisierten Räumlichkeiten mit dem Wasserfall (oder eher Wasserkaskade) an der Wand, der dezent plätschernd seinen Weg sucht, Simply Fosh ist ein Restaurant das zum Verweilen einlädt:

Simply Fosh ist Pause in der Pause, meine wöchentliche Mußestunde für Gaumen und Geist.

Bis,…, ja bis… sie kommen. Die anderen. Die. Andere. Carpenters ‘They live’: Mutationen aus verschwizter Tennissocke und durchgelatschter Sandalette, die sich vom Mittags wohl zu günstig (dafür steht das ‘Simply’ in ‘Simply Fosh’) offerierten 3-Gänge Menü locken lassen, Schwarzafrikanern gleich auf Entdeckungstour im wilden Osten von Hoyerswerda hier einfallend.

Heute: Erlebnis-Tourismus bei Fosh, Contenance-Penetration an der Wasserkaskade:

* Die Österreicher: Vertreter von Wiener Klassik und Kaffeehauskultur, zwischen Habsburg und der Moderne mit großen Persönlichkeiten wie Ludwig van Beethoven, Brahms und Mozart gesegnet, repräsentieren völlig unerklärlich nach Jahrhunderten der Wiener Schule nicht den Adler, der stolz Hammer und Sichel umklammert: Nein, hier gibt man das Bergvolk mit Suppenhuhn und Plastikbesteck im Staatswappen: “JO MEI, DO ISS ABER SCHEE…” und “UIH, DA SCHAU OAWA, MEI GUADA…” hallt es um zwei Ecken, die Wasserkaskade zieht sich murmelnd in die Leitung zurück und in mir regt sich spontan der Wunsch nach einem Zwangspickerl an der Eingangstür.

* Die Engländer: Groß in Satire und eher klein in Sachen Kultur, die Füße in Flip-Flops und die käsigen Beine in kurzen Hosen, kommen durch die eigentlich blockierte Hintertür und bringen gleich mal die Literflaschen Eroski-Wasser mit an den Tisch: Ein Schluck geht ja noch. Danke für die Show, jetzt ist mein Espresso kalt.

* Und der Deutsche? Ja, der schießt wieder mal den Vogel ab. Er bringt nicht nur seine scheintote Frau (gepflegte Unterhaltung ist gestern, heute ist Anschweigen in), auch sein mißglücktes Fortpflanzungsergebnis durfte mit. Einem scheuermann’schen Fragezeichen gleich hängt der überm Tisch, das Handy heiss, das Essen inzwischen kalt. Aber was will man erwarten, beim Vater mit Vorbildfunktion, Tages-, nein Monatsgewinner des ‘el premio de idiota’ oder Vollpfosten-Preises beim (man achte auf den kleinen roten Pfeil) justieren einer Uhr mit dem Tischbesteck. Beim Sternekoch! Ich glaubs nicht. Caramba.

Minutenlang. Mit dem Messer. Und der Gabel. Und wieder Messer. Abwechselnd. Die Sicht durch die Sonnenbrille wohl stark eingeschränkt, und so dauerte der Stellvorgang. Und dauerte. Zwischendurch nochmal kurz in den Zähnen geprokelt, und wieder ran an die Uhr mit dem Besteck. Und es dauerte weiter. Und die Frau schwieg. Und der Sohn spielte. Und das Essen wurde noch kälter. Und schrumpelig. Und der Service lächelte. Und ertrug. Schweigend.

Ein Spitzengastronom in Neapel hätte zum Nachtisch einen Eimer flüssigen Beton serviert.
Aber Fosh und sein Team sind nett. Sehr nett. Zu nett. Sie ertragen alles. Auch den Gast.

Nationenübergreifend: Hier laufen ungefähr 90% über Reservierung, man weiß vorher wohin man geht, aber Dresscode und Knigge sind ja bekanntermaßen inzwischen ein Fremdwort:

(1) Nackte Füße (eine Zustandsbeschreibung erspare ich dem geneigten Leser) in Flipflops oder Sandalen sind (hier) ein No-Go.
(2) Das ärmellose Kleidchen, das schon in der Schulzeit zu eng war und in dem inzwischen selbst die Waschanleitung keinen Platz mehr findet, ist (immer) ein No-Go.
(3) Sichtbare BH-Träger, noch getopt durch hervorstechende Stellschrauben und Verschlußmechanismen, sind ein NoNo-Go.
(4) Tischfüllende Stadtpläne über der ‘Schokoladen-Ganache an Mandarinensorbet mit Nuss Tuile und gesalzenem Karamel’ auszubreiten ist (grundsätzlich) ein No-Go.
(5) Sonnenbrillen im Restaurant sind, außer bei Ray Charles und Heino, ein No-Show.
(6) aaarghhhhhh…

Ich geh dann mal. Morgen komm ich einfach noch früher…